Neues aus dem Schilderwald - temporäre Haltverbote

 
     
 

Im Vorgriff auf die anstehende Überarbeitung des Beitrages zu temporären Haltverboten, soll ein Thema besprochen werden, welches immer wieder in den Medien anzutreffen ist: Die Überbeschilderung mit mobilen Haltverboten. Wer entsprechende Suchbegriffe im Internet eingibt, erhält als Ergebnis kuriose Bilder von Straßen, die mit Unmengen an Haltverbotsschildern zugepflastert sind. In den dazugehörigen Artikeln werden oftmals die verantwortlichen Behörden zitiert, welche diesen Schilderwahnsinn mit vermeintlich rechtlichen Anforderungen zu begründen versuchen. Dieser Beitrag soll diesbezüglich für etwas mehr Klarheit sorgen.

 
     
 

 
 

Das jemand an der gewollten Regelung auch nur geringste Zweifel haben könnte, gilt im Grunde als ausgeschlossen.

 
     
 

 
 

Auf einer Länge von etwa 200 Metern stehen ganze 22 Haltverbotsschilder. Jede Parkbucht ist jeweils mit einem Haltverbot Anfang und Ende beschildert. Um das gezeigte "Konzept" zu verstehen, begeben wir uns zurück ins Frühjahr 2022, als in derselben Stadt bereits ein ähnlicher Schilderwald errichtet wurde:

 
     
 

 
 

In diesem Fall hat man auf einer Länge von 110 Metern ganze 16 Haltverbotsschilder aufgestellt - an jeder Parkbucht jeweils ein Paar.

 
     
 

Vermeintliche Notwendigkeit
Sowohl die hier zuständige Behörde, aber auch andere Ämter begründen in solchen und ähnlichen Fällen den Schilderwahn mit der vermeintlich rechtlichen Notwendigkeit. So seien die einzelnen Parkbuchten wie Einmündungen zu werten, bzw. die Baumscheiben würden den Parkstreifen unterbrechen, weshalb das Haltverbot in jeder einzelnen Parkbucht immer wieder neu anzuordnen sei. Wer mit der Aufstellung temporärer Haltverbote seine Brötchen verdient, wird sich über diese Rechtsauffassung vermutlich nicht beschweren. Tatsächlich sind derartige "Lösungen" aber weder sinnvoll, noch verkehrsrechtlich erforderlich.

 
     
 

 
 

Beispiel für eine völlig überzogene Anordnung von temporären Haltverboten gemäß der oben gezeigten Fotos.

 
     
 

Haltverbot - Anfang, Mitte und Ende
Im Anwendungsbereich der StVO und der RSA 21 genügt für Haltverbotsstrecken eine Beschilderung mit den Zeichen "Anfang", "Mitte" und "Ende". Bei längeren Strecken empfiehlt sich eine Wiederholung (Zeichen 283 / 286 "Mitte") etwa alle 50m. Im aktuellen Beispiel wären daher fünf Haltverbotsschilder (Anfang, Mitte, Mitte, Mitte, Ende) und im Beispiel aus 2022 drei Schilder (Anfang, Mitte, Ende) vollkommen ausreichend. Je nach Örtlichkeit kann diese Entfernung auch sachgerecht verlängert oder verkürzt werden - es gilt der Sichtbarkeitsgrundsatz. Wenn z.B. bei einer langen Straße ohne Kreuzungen und Einmündungen ein durchgängiges Haltverbot erwirkt werden soll (Umleitungsstrecke, Schwertransport usw.), kann eine Wiederholung des VZ  "Haltverbot Mitte" auch nur alle 200 Meter genügen.

 
     
 

 
 

Eine Reduzierung des Schilderwaldes lässt sich durch die Anordnung des Zeichens "Mitte" erzielen. Die Beschilderung ist aber auch in diesem Fall noch übertrieben.

 
     
 

Das Prinzip der Verbotsstrecke
Die StVO enthält in der lfd. Nr. 61 zum Gültigkeitsbereich von beschilderten Haltverboten den Begriff der "Verbotsstrecke". Am Anfang dieser Strecke zeigt der Pfeil von Zeichen 283 oder 286 zur Fahrbahn, am Ende von ihr weg. Bei in der Verbotsstrecke wiederholten Zeichen weist eine Pfeilspitze zur Fahrbahn, die zweite Pfeilspitze von ihr weg. Hierdurch wird selbst für StVO-Verhältnisse eindeutig festgelegt, dass es sich um eine Haltverbotsstrecke handelt, welche naturgemäß vom beschilderten Anfang bis zum beschilderten Ende verläuft. Durch die Anordnung von wiederholenden Schildern in regelmäßigen Abständen, wird die bestehende Verbotsstrecke besser verdeutlicht.

 
     
 

 
 

Beispiel für die verkehrsrechtlich vollkommen ausreichende Beschilderung mit einer Wiederholung alle 50m (Prinzipskizze, nicht maßstäblich).

 
     
 

Technische Bewertung

 
     
 

 
 

Weitaus wichtiger als eine vermeintlich erforderliche "lückenlose" Schilderaufstellung an jeder Parkbucht, ist die Einhaltung der technischen Vorgaben. Diese wurden im konkreten Fall bei jedem der 22 Schilder missachtet und das betrifft nicht nur die unzulässige Anbringung bedruckter DIN A4-Zettel:

 
     
 

 
 

Verkehrsbehörden, die derartige Zettel dulden oder sogar selbst ausgeben, begründen ihr Handeln mit dem Verweis auf "geringere Anforderungen im ruhenden Verkehr". In der Tat gibt es unzählige Urteile, die allein auf den klar erkennbaren Inhalt des Verwaltungsaktes abstellen und alle diesbezüglichen Anforderungen der VwV-StVO als "kann dahingestellt bleiben" abtun. Rein Verwaltungsrechtlich mag das korrekt sein - die entsprechende Auffassung würde aber im Umkehrschluss auch für einen Schriftzug "Tempo 30" auf einer Holzplatte gelten, solange dieser "Lösung" ein Verwaltungsakt der zuständigen Behörde zugrunde liegt. Dagegen wäre ein "echtes" und technisch einwandfreies Zeichen 274-30 von Haus aus nichtig (und eben nicht nur rechtswidrig), wenn es ohne verkehrsrechtliche Anordnung aufgestellt wird. Die besondere Problematik "Verwaltungsakt Verkehrszeichen" wollen wir an dieser Stelle aber nicht weiter vertiefen.

 
     
 

RAL Güteverkehrszeichen - auch bei temporären Haltverboten
Die Aussage, dass insbesondere Zusatzzeichen im ruhenden Verkehr mit Zetteln gestaltet werden können, oder dass generell geringere Anforderungen gelten würden, ist schlichtweg falsch. Das beginnt bereits damit, dass insbesondere absolute Haltverbote (Zeichen 283) bei genauer Betrachtung gar keine Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr sind, denn sie wenden sich in ihrer primären Funktion als "absolutes Haltverbot" an den fließenden Verkehr. Damit gilt auch der Sichtbarkeitsgrundsatz (rascher und beiläufiger Blick) uneingeschränkt.

Natürlich werden temporäre Haltverbote auch angeordnet, um gegenüber bereits abgestellten Fahrzeugen ein "Parkverbot" zu erwirken. In dieser Hinsicht hat die Rechtsprechung verschiedene Aussagen zur Umschaupflicht usw. getroffen - der Sichtbarkeitsgrundsatz gilt dann dementsprechend nur eingeschränkt.

 
     
 

Darauf kommt es vorliegend aber gar nicht an. Selbst wenn man bei temporären Haltverboten die Eigenschaft "Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr" bejaht, so bedeutet das nicht, dass man diese Schilder beliebig gestalten kann, solange der zugrunde liegende Verwaltungsakt noch irgendwie zu erahnen ist. Die VwV-StVO lässt diesbezüglich auch nur eine Ausnahme zu und diese betrifft allein die Retroreflexion der Verkehrszeichen:

 
 

Verkehrszeichen, ausgenommen solche für den ruhenden Verkehr, müssen rückstrahlend oder von außen oder innen beleuchtet sein.

 
     
 

Dagegen gelten alle anderen in der VwV-StVO enthaltenen Anforderungen auch für temporäre Haltverbotsschilder und deren Zusatzzeichen, insbesondere:

 
 

Die Ausführung der Verkehrszeichen darf nicht unter den Anforderungen anerkannter Gütebedingungen liegen

 
     
 

Ein Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr, dass gemäß VwV-StVO nicht "rückstrahlend" sein muss, hat dennoch den RAL-Gütebedingungen zu entsprechen (Farbe, Schriftart, grafischer Aufbau, Grundplatine usw.). Damit ist die Verwendung von Zetteln und ähnlichen Bastellösungen ausgeschlossen. Zulässig sind daher entweder nur originale Verkehrszeichen aus dem Schilderwerk, oder solche, die von autorisierten Verarbeitern stammen, z.B. durch die GVZ zertifizierte Verkehrssicherungsunternehmen.

Zudem verkennen sowohl die Anwender als auch die Behörden den Umstand, dass eine Verkehrszeichen-Kombination für den "ruhenden Verkehr" entweder insgesamt retroreflektierend ausgeführt wird, oder insgesamt "nicht rückstrahlend". Während die temporären Haltverbotsschilder Zeichen 283 und 286 in der Praxis im Grunde immer retroreflektierend ausgeführt werden (mal mehr, mal weniger zerschrammt bis unkenntlich), sind es vor allem die "Zusatzzeichen", die unzulässigerweise aus Zetteln und ähnlichen Bastellösungen bestehen.

Hierdurch ergeben sich bei Dunkelheit Informationsverluste, wenn z.B. der Zusatzzettel "Haltverbot auch auf dem Seitenstreifen" im Gegensatz zum darüber befindlichen Haltverbotsschild nicht reflektiert. In diesem Fall kann der Verkehrsteilnehmer von einem absoluten Haltverbot nur auf der Fahrbahn ausgehen, denn er sieht nur das retroreflektierende Zeichen 283. Damit sind wir auch beim nächsten Fehler:

 
     
 

 
 

Das Überkleben nicht benötigter Pfeile in Haltverbotsschildern ist ebenfalls unzulässig. Interessanterweise hatte man die eigentlich völlig ausreichenden Mitte-Zeichen zur Verfügung, diese wurden aber entsprechend der völlig überzogenen verkehrsrechtlichen Anordnung "angepasst". Diese "Lösung" ist auch deshalb fragwürdig, weil eine solche "Änderung" auch von einem potentiellen Falschparker vorgenommen werden kann. Allein aus diesem Grund verbietet sich derartiger Pfusch.

 
     
 

 
 

Bei diesem Schild werden die Verfehlungen besonders gut deutlich. Der Zusatzzettel "Haltverbot auch auf dem Seitenstreifen" ist offensichtlich abhanden gekommen. Ein zugeklebter Pfeil, ein inhaltloses Zusatzzeichen und eine zeitliche Beschränkung via Zettel in Klarsichthülle: So sieht ein "Verwaltungsakt" in Deutschland aus.

 
     
 

Sichtbarkeit und Häufung von Verkehrszeichen
Da sich die Verantwortlichen bereits über die gestaltungstechnischen Vorgaben der VwV-StVO hinwegsetzen, ist es letztendlich nur konsequent, dass auch die Vorgaben zur Vermeidung einer Häufung von Verkehrszeichen missachtet werden. Entsprechend verdecken die temporären Haltverbote auch vorhandene ortsfeste Verkehrszeichen:

 
     
 

 
 

Hinter dem zweiten Haltverbotsschild versteckt sich ein Zeichen 133.

 
     
 

 
 

An dieser Stelle wird das Zeichen 209-30 teilweise verdeckt.

 
     
 

Juristische Spitzfindigkeiten
Am Ende ist der ganze Aufwand aber ebenso irrelevant, wie die unzulässige Gestaltung der Schilder: Da es sich bei der fraglichen Verkehrsfläche nicht um einen Seitenstreifen, sondern um einen Gehweg handelt (Zeichen 315), wird auf den Stellflächen gar kein Haltverbot erwirkt.

 
     
 

 
 

Absolutes Haltverbot auch auf dem Seitenstreifen - der gemäß Zeichen 315 tatsächlich ein Gehweg ist.

 
     
 

Das benannte "Problem" besteht seit dem Jahr 2009, als der Verordnungsgeber im Zuge der damaligen StVO-Schilderwaldnovelle die sog. "Müllsackregelung" eingeführt hat. Mobile, vorübergehend angeordnete Haltverbote durch Zeichen 283 und 286 heben Verkehrszeichen auf, die das Parken erlauben - so lautet das Ge- oder Verbot unter der lfd.-Nr. 61 in der Anlage 2 StVO. Was die Formulierung "heben auf" für Parkplatzschilder generell, aber insbesondere im Fall einer Parkraumbewirtschaftungszone (Zeichen 314.1) bedeutet, soll hier nicht weiter vertieft werden - interessant ist es aber allemal.

Jedenfalls kann "heben auf" nicht dahingehend verstanden werden, dass ein mobiles vorübergehendes Haltverbot (gemäß StVO-Wortlaut ist übrigens das erwirkte Haltverbot mobil und nicht das Verkehrszeichen) alle das parkenden erlaubenden Verkehrszeichen in seinem Umfeld aufhebt, auch wenn es selbst nur auf der Fahrbahn, oder wie hier auch auf dem Seitenstreifen gilt. Wäre das anders, könnten mobile vorübergehende Haltverbote auch in abzweigende oder benachbarte Nebenstraßen "hineinwirken", oder allein von der Fahrbahn aus die Parkerlaubnis auf abgesetzten Parkplätzen oder Stellflächen aufheben. Das ist natürlich Unsinn.

Obgleich im konkreten Fall ein sehr eindeutiger Bezug zu den Stellflächen gegeben ist, so wird hier lediglich ein absolutes Haltverbot auf der Fahrbahn und dem nicht vorhandenen Seitenstreifen angeordnet. Damit hebt die Beschilderung auch nicht die Parkerlaubnis der Zeichen 315 auf, denn der Gehweg wird vom Haltverbot gar nicht erfasst, so dass dort weiterhin mit Parkschein geparkt werden darf. Es wäre daher durchaus an der Zeit, die diesbezügliche Regelungslücke "temporäre Haltverbote bei erlaubtem Gehwegparken" in der StVO endlich zu s chließen.

 
     
 

 
 

Am Ende liefert die zuständige Behörde selbst den Beweis dafür, dass diese Überbeschilderung nicht notwendig ist: Die Gehweg-Parkerlaubnis wird für die ersten 12 Stellflächen (sechs Doppel-Parkbuchten) lediglich mit zwei Zeichen 315 (Anfang und Ende) beschildert. Danach folgt eine kurze Unterbrechung und ein weiterer Bereich von drei zusammenhängenden Stellflächen, die ebenfalls mit Zeichen 315 (Anfang und Ende) beschildert sind. Im Anschluss an eine Zufahrt beginnt ein weiterer Abschnitt, bestehend aus insgesamt sieben Stellflächen (vier Parkbuchten), welcher ebenfalls nur mit Zeichen 315 (Anfang und Ende) gekennzeichnet ist. Auf der gesamten Strecke werden also 22 Haltverbotszeichen aufgestellt, während für die auf derselben Strecke angeordnete Gehweg-Parkerlaubnis offensichtlich (und auch verkehrsrechtlich) nur insgesamt 6 Zeichen 315 genügen.

 
     
 

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Stand: 11/2023

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